7 einfache Achtsamkeitsübungen bei Depression
Vertrauen fassen und Selbstfürsorge erlauben
Du machst gerade eine schwierige Zeit durch und suchst nach kleinen Lichtblicken? Vielleicht fühlst du dich oft niedergeschlagen, erschöpft oder in einer endlosen Gedankenspirale gefangen. Achtsamkeitsübungen bei Depression können dir dabei helfen, sanft aus diesem Kreislauf auszubrechen und wieder mehr Ruhe in deinem Alltag zu finden. In diesem Artikel möchte ich dich einfühlsam an die Hand nehmen und dir zeigen, wie Achtsamkeit dir in dunklen Momenten Unterstützung bieten kann.
Stell dir vor, du könntest für ein paar Minuten am Tag die Last auf deinen Schultern ablegen und einfach nur sein, ohne dich von Grübeleien überwältigen zu lassen. Genau dazu laden dich die folgenden Achtsamkeitsübungen ein. Nimm dir einen Moment Zeit – ganz ohne Druck. Du musst nichts leisten oder „richtig“ machen. Es geht hier um Selbstfürsorge: darum, dir selbst mit Freundlichkeit und Geduld zu begegnen. Jede Übung ist eine Einladung, fürsorglich mit dir umzugehen und Schritt für Schritt Vertrauen in dich und den Weg der Achtsamkeit zu fassen.
Wenn du bereit bist, dich auf diese sanfte Reise einzulassen, dann lass uns gemeinsam herausfinden, was Achtsamkeit bedeutet und wie achtsamkeitsübungen bei depression dir helfen können, wieder mehr Hoffnung und Stabilität zu spüren. Du bist nicht allein – und es gibt liebevolle Methoden, die dir Kraft schenken können.
Was ist Achtsamkeit?
Achtsamkeit bedeutet, im Hier und Jetzt aufmerksam zu sein, ohne das Erlebte zu bewerten. Statt automatisch durch den Tag zu gehen, lernst du bei der Achtsamkeit, jeden Moment bewusst wahrzunehmen – deine Gedanken, Gefühle, Körperempfindungen und die Umgebung – so wie sie gerade sind. Wichtig dabei: Nichts von dem, was du bemerkst, wird als „gut“ oder „schlecht“ eingestuft. Du erlaubst den Dingen einfach, da zu sein, ohne dich von ihnen mitreißen zu lassen oder sie zu verurteilen.
Vielleicht kennst du das Gefühl, mit den Gedanken ständig woanders zu sein – bei den Sorgen von morgen oder den Fehlern von gestern. Achtsamkeit ist der Gegenentwurf zu diesem Autopilot-Modus. Sie bringt dich zurück in den Augenblick. Deine Aufmerksamkeit wird immer wieder sanft auf den jetzigen Moment gelenkt: auf den Atemzug, den du gerade nimmst, die Wärme der Teetasse in deiner Hand oder den Vogel, der draußen zwitschert. Indem du dich auf solche kleinen Dinge konzentrierst, kommst du aus dem Kopfkino heraus und erlebst das Leben unmittelbarer.
Ursprünglich stammt die Achtsamkeitslehre aus dem Buddhismus, aber heute wird sie weltweit – und auch in unserer westlichen Kultur – praktiziert. Du musst dafür nicht spirituell sein. Achtsamkeit ist für jeden erlernbar. Es geht nicht darum, an nichts zu denken oder ewig im Schneidersitz zu sitzen. Vielmehr übst du, immer wieder zu bemerken, was jetzt gerade ist. Und wenn deine Gedanken abschweifen (was völlig normal ist!), holst du sie behutsam zurück, ohne Ärger oder Druck. Diese wohlwollende Haltung dir selbst gegenüber ist ein Kern von Achtsamkeit – und besonders wichtig, wenn du mit Depression kämpfst.
Wie Achtsamkeit bei Depression helfen kann
Depressive Verstimmungen und Depressionen gehen oft mit negativen Gedankenspiralen, Grübeln und innerer Unruhe einher. Genau hier setzen Achtsamkeitsübungen bei Depression an: Sie helfen dir, aus dem Kopfkarussell auszusteigen und kleine Pausen von düsteren Gedanken zu finden. Statt dich in Sorgen oder Selbstvorwürfen zu verlieren, lernst du, deine Gedanken und Gefühle nur zu beobachten, ohne sofort darauf anzuspringen. Das kann unglaublich entlastend sein. Schon ein kurzer Moment, in dem die endlose Spirale stoppt oder langsamer wird, gibt Körper und Geist die Chance, einmal durchzuatmen und neue Kraft zu schöpfen.
Wissenschaftliche Untersuchungen und Erfahrungen aus der Therapie zeigen, dass regelmäßige Achtsamkeitspraxis depressive Symptome lindern kann. So gibt es zum Beispiel spezielle Programme wie die achtsamkeitsbasierte kognitive Therapie (MBCT), die in Kliniken eingesetzt werden, um Rückfälle bei Depressionen zu verhindern. Was bedeutet das für dich ganz praktisch? Achtsamkeit kann kein Wundermittel und keine spontane Heilung versprechen – und sie ersetzt keinesfalls eine professionelle Therapie oder notwendige Medikamente. Aber sie ist eine wertvolle Ergänzung: ein Werkzeug, das du jederzeit zur Verfügung hast, um dich selbst zu unterstützen.
Durch Achtsamkeit schulst du deine Fähigkeit, im Moment zu bleiben, statt in negativen Gedanken zu versinken. Das kann dazu führen, dass sich Symptome wie Grübeln, innere Unruhe und Angst etwas abschwächen. Viele Menschen berichten, dass sie durch Achtsamkeitsübungen wieder mehr Kontrolle über ihre Aufmerksamkeit gewinnen. Anstatt sich hilflos den dunklen Gedanken ausgeliefert zu fühlen, kannst du entscheiden: „Ich fokussiere mich jetzt auf meinen Atem“ oder „Ich nehme wahr, was um mich herum passiert.“ Diese kleinen Entscheidungen geben dir ein Stück Handlungsspielraum zurück. Und nicht zuletzt fördern Achtsamkeitsübungen auch Selbstmitgefühl: Du übst, dich mit derselben Freundlichkeit zu behandeln, die du einem guten Freund entgegenbringen würdest. Gerade bei Depression, wo man oft hart mit sich ins Gericht geht, ist das ein echter Schlüssel zu mehr seelischer Balance.
Im nächsten Schritt schauen wir uns ganz konkret an, welche Achtsamkeitsübungen bei Depression hilfreich sein können. Du musst nicht alle auf einmal lernen. Finde die Übungen, die dir am meisten liegen, und probiere sie in deinem eigenen Tempo aus. Jeder noch so kleine Anfang ist ein wichtiger Schritt – hin zu mehr Klarheit, Ruhe und Fürsorge für dich selbst.
Konkrete Achtsamkeitsübungen bei Depression: 7 liebevolle Übungen für deinen Alltag
Im Folgenden möchte ich dir sieben bewährte Achtsamkeitsübungen vorstellen. Diese Übungen kannst du leicht in deinen Alltag integrieren und an deine Bedürfnisse anpassen. Wähle ein oder zwei aus, die dich ansprechen, und sei geduldig mit dir, während du sie ausprobierst. Denk daran: Es geht nicht um Perfektion, sondern darum, dir kleine Momente der Achtsamkeit und Selbstfürsorge zu schenken.
1. Atemmeditation – Innehalten mit dem Atem als Anker
Die Atemmeditation ist eine einfache, aber sehr wirkungsvolle Achtsamkeitsübung bei Depression. Dein Atem ist immer bei dir und kann zu einem Anker werden, der dich in die Gegenwart holt, wenn Gedanken und Gefühle dich überwältigen.
So geht’s: Suche dir einen ruhigen Moment und einen bequemen Ort. Setz dich entspannt hin (wenn du möchtest, lege dich hin – achte aber darauf, nicht einzuschlafen). Schließe die Augen oder senke den Blick. Atme nun dreimal tief ein und aus. Du kannst beim Ausatmen ruhig hörbar seufzen, um Spannungen loszulassen. Spüre, wie mit jedem Ausatmen ein wenig Anspannung deinen Körper verlässt. Danach lass deinen Atem in seinem natürlichen Rhythmus fließen.
Richte deine Aufmerksamkeit sanft auf die Atembewegungen. Nimm wahr, wie die Luft in deine Nase einströmt – kühl beim Einatmen, und etwas wärmer beim Ausatmen. Spüre, wie sich dein Brustkorb oder dein Bauch hebt und senkt. Du musst deinen Atem nicht kontrollieren oder verändern. Beobachte ihn einfach, so wie er gerade kommt und geht. Erlaube dir, nur zu atmen.
Es ist ganz normal, dass bereits nach wenigen Sekunden Gedanken auftauchen wie: „Mache ich das richtig?“, „Das bringt doch nichts.“ oder dass du an deine Sorgen vom Tag denkst. Wenn du merkst, dass dein Geist abgeschweift ist, sei nicht böse auf dich. Das ist kein Scheitern, sondern genau die Übung: erkenne liebevoll, dass dein Gedanke weggewandert ist, und lenke deine Aufmerksamkeit sanft zurück zum Atem. Du kannst dir vorstellen, deine Gedanken sind wie Wolken, die am Himmel vorbeiziehen – du brauchst ihnen nicht hinterherzujagen. Kehre immer wieder zum nächsten Atemzug zurück.
Schon ein bis fünf Minuten Atemmeditation können helfen, deinen Geist zu beruhigen. Anfangs erscheint es vielleicht schwierig, aber mit der Zeit wirst du merken, dass diese Übung fast wie eine kleine Oase im Alltag sein kann. Sie signalisiert deinem Körper: „Ich bin in Sicherheit, ich darf entspannen.“ Viele Menschen finden, dass regelmäßige Atemmeditation ihnen bei depressiven Verstimmungen Momente der Erleichterung schenkt – wie ein kurzer Urlaub vom ständigen Grübeln. Probier es aus und erlaube dir, diesen Anker in stürmischen Zeiten zu nutzen.
2. Die Bodyscan Übung – Den Körper mit Achtsamkeit erspüren
Depression kann dazu führen, dass man sich wie betäubt oder abgeschnitten vom eigenen Körper fühlt. Der Bodyscan ist eine Achtsamkeitsübung, die dir hilft, wieder in Kontakt mit deinem Körper zu kommen und Anspannung bewusst zu lösen. Du „scannst“ gedanklich deinen Körper von Kopf bis Fuß (oder umgekehrt) und nimmst wahr, was dort jeweils zu spüren ist, ohne es zu bewerten.
So geht’s: Nimm dir etwa 10 bis 20 Minuten Zeit, in denen du ungestört bist. Leg dich am besten auf eine weiche Unterlage (z.B. deine Matte, Couch oder dein Bett) oder setz dich bequem hin. Wenn du liegst, besteht die Gefahr einzuschlummern – versuch also, wach zu bleiben, indem du z.B. die Augen geöffnet hältst oder im Sitzen übst, falls du sehr müde bist. Mache es dir gemütlich: Deine Hände können locker neben dem Körper liegen oder auf dem Bauch ruhen.
Beginne nun damit, ein paarmal tief ein- und auszuatmen, um anzukommen. Richte dann deine Aufmerksamkeit auf deine Füße. Spüre in deine Zehen, die Fußsohlen, die Fußrücken. Wie fühlen sie sich an? Gibt es Kribbeln, Wärme, Kälte, Druck an den Stellen, wo sie den Boden oder die Unterlage berühren? Nimm alles wahr, was auftaucht, ohne es ändern zu müssen. Wenn du nichts Besonderes spürst, ist das auch völlig in Ordnung – nimm einfach Nicht-Spüren wahr.
Wandere mit der Aufmerksamkeit langsam weiter nach oben. Nimm deine Knöchel und Unterschenkel wahr, dann die Knie. Spüre die Auflagepunkte, zum Beispiel wo deine Waden die Unterlage berühren. Gehe weiter zu den Oberschenkeln und Hüften. Liegen sie schwer auf? Gibt es Verspannungen oder ein Gefühl von Loslassen? Atme ruhig und bleib mit deinem Geist bei den Körperempfindungen. Falls Gedanken abschweifen, bemerke es freundlich und bring die Aufmerksamkeit zurück zu dem Körperteil, bei dem du gerade bist.
Nun rücke weiter hoch: in den unteren Rücken und Bauchraum. Wie fühlt sich dein Bauch an? Hebt und senkt er sich mit jedem Atemzug? Spürst du vielleicht ein Grummeln, Anspannung oder Entspannung? Geh dann gedanklich in den Brustkorb und den oberen Rücken. Nimm wahr, wie dein Herz schlägt oder wie sich dein Atem in der Brust anfühlt. Lass die Schultern ganz locker sinken – oft merken wir erst im Bodyscan, wie viel Spannung wir dort halten.
Lenke deine Achtsamkeit als Nächstes in deine Arme und Hände. Spüre die Oberarme, Ellbogen, Unterarme. Liegen deine Hände entspannt? Fühlst du Kribbeln in den Fingerspitzen oder die Berührung der Finger miteinander? Schließlich nimm deinen Nacken, Hals und Kopf wahr. Entspanne bewusst den Kiefer (zwischen den Zähnen muss kein Druck sein) und lass die Stirn weich werden. Spüre die Schwere deines Kopfes auf dem Kissen oder die Luft an deinen Gesichtspartien.
Wenn du gedanklich den ganzen Körper durchwandert hast, weite deine Aufmerksamkeit wieder aus und spüre dich als Ganzes vom Kopf bis zu den Füßen. Nimm ein paar tiefe Atemzüge. Vielleicht magst du zum Abschluss deine Finger und Zehen leicht bewegen und dich strecken.
Der Bodyscan kann sehr beruhigend wirken. Viele spüren danach ihren Körper lebendiger und sind zugleich innerlich ruhiger. Insbesondere abends kann er helfen, Anspannung loszulassen, die sich über den Tag aufgebaut hat. Bei depressiven Verstimmungen, die oft mit körperlicher Unruhe oder Spannungsgefühlen einhergehen, kann der Bodyscan dir zeigen: „Schau, da sind meine Verspannungen – und ich darf sie wahrnehmen und sanft lösen.“ Selbst wenn nicht jede Anspannung sofort verschwindet, entwickelst du ein besseres Gespür für dich und lernst, dich wieder zu spüren, anstatt dich taub oder wie im Nebel zu fühlen.
3. Gehmeditation – Achtsames Gehen Schritt für Schritt
Manchmal fällt das stille Sitzen bei innerer Unruhe schwer. Die Gehmeditation verbindet Achtsamkeit mit sanfter Bewegung – ideal, um Körper und Geist gleichzeitig etwas Gutes zu tun. Gerade bei Depression, wo Antriebslosigkeit ein Thema sein kann, hilft achtsames Gehen, in Bewegung zu kommen, ohne sich zu überfordern. Hierbei gibt es kein Ziel und kein Tempo, sondern nur das bewusste Erleben jedes Schrittes.
So geht’s: Suche dir einen Ort, an dem du ein paar Meter ungestört gehen kannst. Das kann draußen in der Natur sein (z.B. ein Garten, Park oder ein ruhiger Weg) oder drinnen ein Gang oder Zimmer, in dem du auf- und ablaufen kannst. Wichtig ist, dass du ohne Eile und Druck gehen kannst. Stell dich zunächst hin und spüre deine Füße auf dem Boden. Steh hüftbreit, verteile dein Gewicht gleichmäßig. Nimm dir einen Moment, um aufrecht zu stehen – stell dir vor, ein unsichtbarer Faden zieht deinen Kopf sanft nach oben, während die Schultern entspannt nach unten sinken.
Beginne jetzt, langsam einen Schritt zu machen. Hebe z.B. deinen rechten Fuß ganz bewusst an. Wie verändert sich dein Gleichgewicht? Spüre, wie dein Körper arbeitet, um dich stabil zu halten. Setze den Fuß vor dir wieder auf – nimm wahr, zuerst berührt die Ferse den Boden, dann rollt der Fuß bis zu den Zehen ab. Verlagere dein Gewicht achtsam auf diesen rechten Fuß. Dann folgt der linke Fuß: heben, nach vorne bewegen, absetzen, nachspüren. Gehe auf diese Weise in Zeitlupe ein paar Schritte vorwärts. Du kannst deine Aufmerksamkeit auf die Fußsohlen lenken – spür jede kleine Bewegung, jedes Kribbeln oder den Kontakt mit dem Boden. Alternativ kannst du auch den gesamten Bewegungsablauf mit Achtsamkeit verfolgen – vom Heben des Fußes bis zum Abrollen.
Nach einigen Schritten bleib stehen. Nimm einen Atemzug, dreh dich langsam um und gehe in normalem Tempo zurück zum Ausgangspunkt. Spüre den Unterschied zwischen dem langsamen, bewussten Gehen und dem automatischen Gehen im Alltag. Dann wiederhole den Vorgang. Gehe erneut in Zeitlupe einige Schritte, voll und ganz bei der Empfindung des Gehens. Falls deine Gedanken abschweifen („Wie sehe ich wohl dabei aus?“ oder „Ich muss noch einkaufen…“), nimm es gelassen wahr und lenke die Aufmerksamkeit zurück in deine Beine und Füße.
Du kannst diese Gehmeditation so lange ausführen, wie es dir gut tut – vielleicht 5 Minuten, vielleicht 15. Achte darauf, eine Haltung der Neugier zu bewahren: Jeder Schritt ist eine neue Erfahrung. Es kann sogar helfen, die Übung spielerisch zu gestalten: Stell dir vor, du betrittst mit jedem Schritt unbekanntes Terrain, oder geh so, als ob du in Zeitlupe einen Schatz suchst.
Achtsames Gehen erdet dich. Du kommst raus aus dem Kopf, hinein in den Körper. Zudem kann die leichte Bewegung Spannungen lösen und die Stimmung heben – es ist erwiesen, dass schon langsames Gehen an der frischen Luft stimmungsaufhellend wirken kann. Wenn du dich antriebslos fühlst, sage dir: „Ich gehe nur einen Schritt nach dem anderen.“ Mehr musst du in diesem Moment nicht tun. Schritt für Schritt, im wahrsten Sinne des Wortes, kommst du wieder in Kontakt mit dem Hier und Jetzt. Viele Menschen mit depressiven Verstimmungen empfinden nach einer Gehmeditation ein Gefühl von Klarheit und manchmal sogar einen Funken mehr Energie. Probier es aus, vielleicht gleich bei deinem nächsten Spaziergang: Mach einige Schritte achtsam – dein Körper und Geist werden dir danken.
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4. Achtsames Essen – Mit allen Sinnen genießen (Die Rosinenübung)
Depression kann dazu führen, dass Genuss und Appetit geringer werden. Achtsames Essen ist eine Übung, die dir hilft, das Essen wieder mit allen Sinnen wahrzunehmen und kleine Genüsse im Alltag zu entdecken. Eine klassische Übung dafür ist die Rosinenübung aus der Achtsamkeitspraxis. Dabei isst du eine einzige Rosine (oder ein anderes kleines Lebensmittel) in extremer Langsamkeit und Achtsamkeit, als würdest du sie zum allerersten Mal probieren. Das schult nicht nur deine Sinne, sondern kann auch den Geist aus sorgenvollen Gedanken holen – hin zu etwas Einfachem und Angenehmem.
So geht’s (Rosinenübung): Nimm eine Rosine in die Hand. Stell dir vor, du seist ein Wesen, das noch nie eine Rosine gesehen hat – neugierig und unvoreingenommen. Schaue die Rosine gründlich an. Welche Farbe hat sie? Wie wirken die Fältchen und die Oberfläche? Drehe sie langsam zwischen deinen Fingern und betrachte, wie das Licht darauf fällt. Als Nächstes fühle die Rosine in der Hand. Ist sie weich, klebrig, rau oder fest? Halte sie ans Ohr und drücke sie ganz sanft – macht sie ein Geräusch? (Das mag im ersten Moment seltsam erscheinen, aber keine Sorge, niemand schaut zu – es geht darum, wirklich alle Sinne zu aktivieren!)
Nun bring die Rosine zur Nase. Rieche daran. Nimm das Aroma wahr, so fein es auch sein mag. Welche Gedanken oder Gefühle löst der Geruch aus? Vielleicht kommen Erinnerungen hoch oder dir läuft etwas das Wasser im Mund zusammen. Lass alles zu, was da ist, ohne es zu bewerten.
Jetzt lege die Rosine behutsam auf die Zunge, aber kaue noch nicht. Spüre, wie sie auf deiner Zunge liegt. Nimm den ersten Geschmack wahr, der sich vielleicht schon löst. Beiß dann langsam einmal zu und achte auf die Geschmacksnuancen, die sich entfalten. Ist sie süß? Fruchtig? Spürst du einen Saft? K aue weiter, sehr langsam. Fühle, wie sich die Konsistenz verändert, wie die Rosine sich nach und nach auflöst. Schlucke schließlich bewusst und verfolge, wie die Reste deinen Hals hinunterwandern. Atme tief durch und spüre dem Nachgeschmack nach.
Diese Übung kannst du natürlich auch mit einem Stück Schokolade, einer Beere oder dem ersten Bissen deiner Mahlzeit machen. Das Ziel ist, jeden Aspekt des Essens bewusst zu erleben: Sehen, fühlen, riechen, schmecken, hören (ja, auch hören – z.B. das Knacken von Schokolade oder Knuspern eines Kekses). Durch achtsames Essen lenkst du deine Aufmerksamkeit voll auf eine positive, sinnliche Erfahrung. Das kann helfen, dich vom Grübeln abzulenken und mal wieder etwas Genuss zu empfinden, selbst wenn es nur eine kleine Rosine ist. Oft merken Menschen dabei: „Wow, ich habe lange nicht mehr wirklich geschmeckt, was ich esse.“ Diese Bewusstheit kann auch dazu führen, dass du Essen wieder mehr wertschätzt und regelmäßiger isst, was bei Depression wichtig ist. Außerdem trainierst du, im Moment zu sein, denn während du so achtsam isst, hat dein Kopf keine Kapazität, nebenbei Sorgen zu wälzen – er ist beschäftigt mit Sehen, Schmecken, Fühlen.
Nimm dir ruhig täglich bei einer Mahlzeit ein, zwei Bissen Zeit für achtsames Essen. Du musst nicht jede Mahlzeit komplett so verbringen. Schon ein kleines Ritual – wie morgens den ersten Schluck Tee oder Kaffee ganz bewusst schmecken, oder abends ein Stück Obst achtsam essen – kann dich erden und dir einen Moment des Wohlgefühls schenken.
5. Gedankenbeobachtung ohne Bewertung – Die Wolken ziehen lassen
Unsere Gedanken können gerade bei Depression äußerst quälend sein. Häufig kreisen sie um Selbstzweifel, Sorgen oder Hoffnungslosigkeit. Anstatt jedoch zu versuchen, krampfhaft nicht mehr negativ zu denken (was selten funktioniert), lernst du in dieser Übung, deine Gedanken aus einer gewissen Distanz zu betrachten. Du übst, zum Beobachter deiner Gedanken zu werden, ohne in jedes Gedankenkino einzusteigen. So verlieren die Gedanken nach und nach etwas von ihrer Macht über dich.
So geht’s: Finde einen stillen Moment, setz dich bequem hin und werde dir deines Atems bewusst (ähnlich wie bei der Atemmeditation als Einstieg). Jetzt lass die Augen ruhig geöffnet oder halboffen mit weichem Blick. Stell dir vor, dein Bewusstsein ist ein weiter Himmel. Jeder Gedanke, der in deinem Geist auftaucht, ist wie eine Wolke, die am Himmel vorbeizieht. Einige Wolken sind dunkel und schwer (negative Gedanken wie „Ich bin nichts wert“), andere vielleicht weiß und leicht (neutrale Gedanken oder Alltägliches). Deine Aufgabe ist es, einfach auf diesem inneren „Wolkenhimmel“ zu sitzen und die Gedankenwolken vorüberziehen zu lassen – ohne sie festzuhalten, aber auch ohne sie wegzuschieben.
Wenn ein Gedanke auftaucht, könntest du innerlich benennen, was es für ein Gedanke ist. Zum Beispiel: „Ah, da ist eine Sorge über die Zukunft“ oder „Da ist Selbstkritik“. Stell dir vor, du etikettierst die Wolke kurz („Sorge“, „Erinnerung“, „Planen“, „Selbstkritik“) und dann lässt du sie weiterziehen. Versuch, nicht weiter aufzuspringen und dem Gedanken zu folgen. Das erfordert Übung! An manchen Tagen merkst du vielleicht erst nach 5 Minuten Grübeln, dass du eigentlich beobachten wolltest. Macht nichts – sobald dir auffällt, dass du einer Wolke nachgeflogen bist, komm freundlich zurück in die Beobachterposition.
Ein Bild, das manchen hilft: Du sitzt an einem Fluss und deine Gedanken sind wie Blätter, die auf dem Wasser treiben. Jedes Mal, wenn ein Gedanke auftaucht, legst du ihn gedanklich auf ein Blatt und siehst zu, wie das Blatt den Fluss hinuntertreibt und aus deinem Blickfeld verschwindet. Der nächste Gedanke kommt – wieder auf ein Blatt legen und vorbeiziehen lassen.
Diese Übung der Gedankenbeobachtung ohne Bewertung stärkt die Fähigkeit der inneren Distanz. Du bist nicht deine Gedanken – du hast Gedanken. Indem du sie beobachtest, statt dich mit ihnen zu identifizieren, nimmst du ihnen etwas den Schrecken. Das heißt nicht, dass plötzlich alle dunklen Gedanken wegbleiben, aber du entwickelst eine andere Haltung dazu. Ein negativer Gedanke wie „Alles ist sinnlos“ wird zum Beispiel als mentale Aktivität erkannt („Da ist wieder dieser deprimierende Gedanke“), aber du musst ihm nicht voll glauben oder daran anknüpfen. Vielleicht bemerkst du nach einiger Zeit, dass Gedanken kommen und gehen, genau wie das Wetter wechselt – und zwischen den Gedanken gibt es Augenblicke von Ruhe. Diese Ruhe zwischen den Wolken können wir nur bemerken, wenn wir nicht ununterbrochen neuen Gedanken hinterherjagen.
Gerade bei Depression kann es unglaublich befreiend sein, zu erleben: Ich muss nicht jedem meiner belastenden Gedanken Glauben schenken. Sie sind da, ja – aber ich kann sie vorbeiziehen lassen, immer und immer wieder. Das nimmt etwas von der Schwere. Übe das anfangs nur kurz (vielleicht 5 Minuten) und steigere langsam die Dauer, wenn es sich richtig anfühlt. Wichtig: Sei nicht frustriert, wenn es schwierig ist – das ist es für jeden! Es geht nicht darum, keine Gedanken mehr zu haben, sondern um die Art, wie du mit ihnen umgehst. Mit der Zeit wirst du immer geübter darin, deine Gedanken vorbeiziehen zu lassen wie Wolken am Himmel, ohne in jeder Gewitterwolke gleich gefangen zu sein.
6. Dankbarkeitspraxis – Den Blick auf das Gute lenken
Bei Depression neigt unser Verstand dazu, wie ein Radar vor allem das Negative und Bedrohliche zu erfassen. Alles Schöne, Positive oder Neutrale tritt demgegenüber leicht in den Hintergrund. Eine Dankbarkeitspraxis kann helfen, diesen Blickwinkel behutsam zu erweitern. Es geht nicht darum, die Depression „wegzupositivieren“ oder sich etwas vorzumachen. Vielmehr übst du, trotz der Schwere auch kleine Lichtpunkte wahrzunehmen – Dinge, für die du dankbar sein kannst, seien sie noch so klein. Das kann allmählich deine Stimmung aufhellen und dich daran erinnern, dass nicht alles dunkel ist. Dankbarkeit ist eine Form von Achtsamkeit, denn du richtest deine Aufmerksamkeit gezielt auf positive Aspekte deines Erlebens.
Hier sind zwei einfache Dankbarkeitsübungen, die du in deinen Alltag einbauen kannst:
Dankbarkeitsmeditation: Suche dir einen ruhigen Moment, z.B. morgens nach dem Aufwachen oder abends vor dem Schlafengehen. Setze dich bequem hin, schließe die Augen und lass im Geist eine Situation, Person oder Sache auftauchen, für die du wirklich dankbar bist. Das kann ganz Großes oder etwas scheinbar Selbstverständliches sein. Zum Beispiel: ein liebevoller Mensch in deinem Leben (Partner, Freund, Familienmitglied), dein Haustier, das dich zum Lächeln bringt, ein Dach über dem Kopf zu haben, oder sogar nur die Tasse warmen Tee in deinen Händen heute Morgen. Erlaube dir, dich auf dieses Gefühl von Dankbarkeit einzulassen. Stell dir die Person oder Situation lebhaft vor. Was genau macht dich dankbar? Ist es das Lächeln deines Freundes, die Wärme der Sonne auf deiner Haut, der Umstand, dass dein Körper heute funktioniert? Tauche für ein paar Minuten richtig in dieses Gefühl ein. Vielleicht spürst du Wärme im Brustbereich oder ein sanftes Glücksgefühl. Genieße diesen Moment bewusst. Wenn dein Geist abdriftet zu anderen Gedanken, kehre wieder zurück zu dem Bild und dem Gefühl der Dankbarkeit. Diese Meditation kannst du nur eine Minute lang machen oder auch zehn – wichtig ist eher die Regelmäßigkeit. Viele machen sie gern abends: Sich vor dem Einschlafen an ein schönes Erlebnis des Tages zu erinnern, für das man dankbar ist (so klein es auch sein mag), kann einen sanfter in die Nacht gehen lassen.
Dankbarkeitstagebuch: Eine praktische Variante ist, ein kleines Tagebuch der Dankbarkeit zu führen. Lege dir ein Notizbuch ans Bett oder benutze eine Notiz-App. Nimm dir jeden Abend (oder Morgen) ein paar Minuten und schreibe drei Dinge auf, für die du heute dankbar bist. An schweren Tagen mag es herausfordernd sein, etwas zu finden – aber gerade dann lohnt es sich. Deine Liste kann ganz schlicht sein: „Heute bin ich dankbar für das leckere Frühstück, das meine Schwester mir gemacht hat. Ich bin dankbar für den Spaziergang im Park, bei dem ich die frische Luft spüren konnte. Und ich bin dankbar dafür, dass mein Freund mir zugehört hat, als es mir nicht gut ging.“ Nichts ist zu klein oder zu banal, um aufgeschrieben zu werden: der Sitzplatz in der Bahn, eine warme Dusche, das Lächeln eines Fremden, ein gutes Lied im Radio.
Wichtig ist, während du es notierst, halte einen Moment inne und fühle die Dankbarkeit. Stell dir die Situation noch einmal vor, sei präsent dabei. Dieses Ritual lenkt dein Gehirn bewusst auf positive Erlebnisse. Wenn du es regelmäßig machst, kann es passieren, dass du tagsüber schon fast automatisch nach Momenten Ausschau hältst, die du abends notieren könntest – und so nimmst du sie intensiver wahr. Zudem hast du nach einigen Wochen oder Monaten eine ganze Sammlung an positiven Momenten, in der du blättern kannst, wenn es dir besonders schlecht geht. Es erinnert dich daran, dass es trotz der dunklen Zeiten auch Gutes in deinem Leben gibt.
Dankbarkeit üben bedeutet keineswegs, dein Leid zu negieren. Du darfst traurig, wütend oder verzweifelt sein und trotzdem dankbar für kleine Dinge. Diese Koexistenz von Gefühlen ist möglich. Gerade bei Depression kann das Pflegen von Dankbarkeit wie ein leises Gegenmittel gegen die allgegenwärtige Negativität wirken. Es ist, als ob du einen kleinen Lichtschein in einem dunklen Raum anzündest. Er mag den Raum nicht komplett erhellen, aber er gibt Orientierung und Hoffnung.
7. Selbstmitgefühlsübungen – Sei deine eigener bester Freundin
Selbstmitgefühl bedeutet, dir selbst mit derselben Güte, Fürsorge und Verständnis zu begegnen, die du einem geliebten Menschen schenken würdest. Bei einer Depression verurteilen wir uns selbst leider oft besonders hart: „Ich bin schwach“, „Ich stelle mich an“, „Mit mir stimmt was nicht.“ Diese innere Kritiker-Stimme kann die Situation noch schlimmer machen. Selbstmitgefühlsübungen helfen dir, diese harte Haltung aufzuweichen und durch eine warmherzigere innere Stimme zu ersetzen. Es geht darum, dich selbst in deinem Leid wahrzunehmen und dir aktiv Trost und Zuspruch zu geben. Das mag am Anfang ungewohnt sein – viele von uns sind es gewohnt, andere zu trösten, aber nicht uns selbst. Doch es ist erlernbar und äußerst heilsam.
Hier ist eine einfache Selbstmitgefühlsübung, die du ausprobieren kannst:
Die liebevolle Freund*innen-Geste: Wenn du merkst, dass es dir richtig schlecht geht – zum Beispiel du fühlst dich überwältigt von Traurigkeit oder Selbsthass – halte einen Moment inne. Schließe die Augen und leg eine oder beide Hände sanft auf dein Herz (oder eine andere Stelle, die sich für dich tröstlich anfühlt, etwa den Bauch oder stütz eine Hand an deiner Wange). Spüre die Wärme und den Druck deiner Hand. Diese beruhigende Berührung signalisiert deinem Körper bereits: „Ich bin da für dich.“ Denk daran, wie du vielleicht einen weinenden Freund umarmen oder an der Schulter halten würdest – du kannst dir diese Geborgenheit auch selbst geben.
Atme ein paar Mal tief durch. Dann stelle dir vor, eine gute Freundin oder ein guter Freund sitzt neben dir. Jemand, der dich wirklich mag und versteht. Was würde diese Person jetzt zu dir sagen? Sicherlich nichts Verletzendes, sondern vielleicht so etwas wie: „Ich sehe, dass du leidest. Das tut mir weh für dich. Bitte denk daran, dass es okay ist, dich so zu fühlen. Du gibst dein Bestes. Ich bin für dich da.“ Versuche, dir solche Worte innerlich selbst zuzusprechen. Du kannst auch laut murmeln, wenn es dir hilft und du ungestört bist. Sprich mit dir, wie mit einem geliebten Menschen in Not. Es mag am Anfang komisch klingen, aber bleib dabei – es ist eine Übung, die mit der Zeit leichter wird.
Du kannst dir auch Sätze des Selbstmitgefühls zurechtlegen, die dir gut tun. Zum Beispiel: „Möge ich geduldig und verständnisvoll mit mir sein.“ – „Es ist ein schwerer Moment gerade, und ich darf mir jetzt Gutes tun.“ – „Andere Menschen erleben sowas auch, ich bin nicht allein. Ich werde mir jetzt so begegnen, wie ich einem Freund begegnen würde.“ Finde Worte, die zu dir passen. Wichtig ist der liebevolle Ton. Selbst wenn es sich anfangs mechanisch anfühlt – die Geste der Absicht zählt.
Eine weitere Selbstmitgefühlsübung ist das mitfühlende Schreiben: Schreib dir einen Brief, so als würde deine verständnisvollste Freundin ihn an dich schreiben. Schilder darin, was dich belastet, aber aus der Perspektive von jemandem, der dich bedingungslos annimmt. Solch ein Brief kann enorm tröstlich sein, vor allem an Tagen, an denen du dich sehr allein fühlst.
Selbstmitgefühl zu üben heißt nicht, in Selbstmitleid zu versinken. Es bedeutet Aktivität: du tust etwas, um dich zu unterstützen. Du erkennst an, dass du gerade leidest (statt es wegzudrücken oder dich dafür fertigzumachen), und reagierst darauf mit Freundlichkeit. Stell dir vor, dein seelischer Schmerz ist wie ein verängstigtes Kind – es braucht nicht Strenge, sondern Liebe und Geborgenheit. Mit jeder Selbstmitgefühlsübung trainierst du, dir genau das zu geben. Studien zeigen, dass Selbstmitgefühl das seelische Wohlbefinden steigert und Symptome von Angst und Depression mindern kann – weil es das innere Klima von Kälte zu Wärme verändert. Gib dir also die Erlaubnis, dein eigener bester Freundin zu werden. Am Anfang fühlt es sich vielleicht seltsam an, aber nach und nach wirst du merken, wie wohltuend es ist, sich selbst mit Milde zu behandeln. Du verdienst diese Freundlichkeit, gerade jetzt.
Hinweise zur regelmäßigen Anwendung im Alltag
Vielleicht fragst du dich jetzt: Wie schaffe ich es, diese Achtsamkeitsübungen in meinen sowieso schon schwierigen Alltag einzubauen? Der Schlüssel liegt in Regelmäßigkeit und Nachsicht mit dir selbst. Hier ein paar Tipps, damit die Achtsamkeit Teil deines Alltags werden kann:
Kleine Schritte statt Perfektion: Setze dir realistische, kleine Ziele. Es bringt mehr, täglich 5 Minuten achtsam zu üben, als sich einmal pro Woche zu einer 1-stündigen Session zu zwingen (die dann vielleicht gar nicht stattfindet). Fang zum Beispiel an, jeden Morgen direkt nach dem Aufwachen eine Minute bewusst zu atmen oder jeden Abend eine Minute Dankbarkeitsmeditation zu machen. Wenn dir mehr gelingt – schön. Wenn nicht, hast du trotzdem etwas Gutes für dich getan.
Routinen knüpfen: Verbinde Achtsamkeit mit alltäglichen Gewohnheiten, damit du leichter daran denkst. Zum Beispiel: Immer wenn du dir morgens die Zähne putzt, nimm dir danach 2 Minuten Zeit für einen Bodyscan von Kopf bis Fuß im Stehen. Oder mach die Atemmeditation jeden Tag nach dem Mittagessen, bevor du wieder an die Arbeit gehst. Indem du Achtsamkeitsübungen an bestehende Aktivitäten „anknüpfst“, werden sie schneller zur Gewohnheit.
Achtsamkeit im Alltag integrieren: Du kannst praktisch jede Alltagstätigkeit achtsam gestalten, ohne extra Zeitaufwand. Mach dir bewusst, dass Achtsamkeit nicht nur auf dem Meditationskissen stattfindet. Du kannst achtsam duschen (spüre das warme Wasser auf der Haut), achtsam Geschirr spülen (nimm die Temperatur des Wassers und den Schaum wahr), achtsam zur Bushaltestelle gehen (statt am Handy zu scrollen, beobachte mal bewusst die Umgebung oder deinen Atem beim Gehen). Diese kleinen Momente summieren sich und helfen dir, insgesamt präsenter zu sein. Wenn du gerade eine depressive Phase hast, kannst du das Tempo deiner Tätigkeiten etwas reduzieren und versuchen, jede Handlung bewusst zu machen – sei es Anziehen, Kaffeekochen oder die Haustür aufzuschließen. Dadurch holst du dich immer wieder ins Hier und Jetzt.
Erinnerungen schaffen: In schwierigen Phasen vergisst man leicht, was einem eigentlich gut tut. Überlege, ob du dir sanfte Erinnerungen an Achtsamkeit in deine Umgebung holst. Das kann ein Zettel am Spiegel sein („Atme“ oder „Jetzt und Hier“), eine App, die dich einmal am Tag erinnert, kurz innezuhalten, oder ein kleiner Stein in deiner Jackentasche, der dich ans bewusste Fühlen erinnert, wenn du ihn berührst. Solche Anker helfen dir, die Intention, achtsam zu sein, nicht aus dem Blick zu verlieren.
Finde deine Lieblingsübung: Nicht jeder Mensch spricht auf jede Übung gleich gut an. Vielleicht merkst du, dass Atemmeditation dir besonders gut tut, während Gehmeditation nicht so deins ist – oder umgekehrt. Erlaube dir, deinen eigenen Achtsamkeits-Weg zu gestalten. Wichtig ist, dass du überhaupt etwas machst, nicht was genau du machst. Manche Menschen schreiben lieber, andere meditieren still, wieder andere brauchen Bewegung. Schau, welche der obigen Achtsamkeitsübungen bei Depression dir am meisten liegen. Mit der wirst du dann natürlicherweise häufiger üben, weil sie dir guttut.
Sei geduldig mit dem Prozess: Die Wirkung von Achtsamkeit entfaltet sich oft schleichend. Erwartest du nicht, dass nach drei Tagen Üben die Depression weg ist. Denk an Achtsamkeit wie an einen Muskel, den du trainierst – jeder Tag ein bisschen macht ihn stärker. Und wie beim Sport gibt es Tage, da läuft es gut, und Tage, da will nichts klappen. Bleib trotzdem dran, so gut es geht, und lobe dich für jeden kleinen Fortschritt. Selbst wenn du heute nur geschafft hast, einen bewussten Atemzug zu nehmen – das ist ein Sieg, kein Grund zur Enttäuschung!
Tipps zum Umgang mit Rückschlägen
Rückschläge gehören zu jedem Heilungs- oder Lernprozess dazu, besonders bei Depression. An manchen Tagen wirst du vielleicht gar keine Energie für Achtsamkeitsübungen haben. Oder du stellst fest, dass du trotz täglicher Meditation plötzlich wieder von heftigen negativen Gefühlen überschwemmt wirst. Das ist normal – und kein Grund, aufzugeben. Hier sind ein paar Tipps, wie du mit solchen Situationen umgehen kannst:
Akzeptiere schwierige Tage: Es wird Tage geben, an denen allein aufzustehen schon ein Kraftakt ist. An solchen Tagen übe dich zuerst in Selbstmitgefühl statt in Strenge. Wenn du nur 30 Sekunden bewusst atmen kannst, ist das okay. Wenn gar nichts geht, ist das auch okay. Achtsamkeit bedeutet auch anzuerkennen, was ist. Und manchmal ist, was ist, einfach nur Erschöpfung oder Überforderung. Sag dir: „Heute ist ein schwerer Tag. Ich darf es langsam angehen lassen.“ Selbst das ist schon Achtsamkeit – nämlich Achtsamkeit für deine Grenzen.
Vermeide Selbstvorwürfe: Vielleicht kennst du die enttäuschte Stimme in dir: „Jetzt habe ich die letzten drei Tage gar nicht meditiert, typisch, ich kriege nichts hin.“ Versuch, dieser Stimme keinen Nährboden zu geben. Jeder Tag ist ein neuer Moment, um wieder anzufangen. Es bringt nichts, gestern nicht geübte Minuten nachzutrauern. Heute zählt. Du bist nicht faul oder unfähig, nur weil es Phasen gibt, in denen keine Übung klappt. Gerade bei Depression braucht man oft mehrere Anläufe. Erinnere dich: Achtsamkeitsübungen sollen dir helfen, nicht ein weiterer Grund für Selbstkritik sein. Versuche also, freundlich mit dir zu sprechen, wenn du aus dem Tritt geraten bist. Zum Beispiel: „Es war wohl einfach zu viel für mich in den letzten Tagen. Das ist verständlich. Ich versuche jetzt behutsam wieder anzufangen, vielleicht mit einer Mini-Übung.“
Passe die Übungen an deine Verfassung an: An sehr dunklen Tagen können selbst 10 Minuten Bodyscan unmöglich erscheinen. Dann mach vielleicht eine abgespeckte Version. Zum Beispiel: statt einem langen Bodyscan nimm dir vor, nur deine Füße und deine Hände achtsam wahrzunehmen – für vielleicht 1-2 Minuten. Oder hör eine kurze geführte Meditation (es gibt im Internet viele 3-5-Minuten-Angebote). Wenn Gehmeditation draußen zu viel ist, übe sie einfach in deinem Zimmer für ein, zwei Schritte. Es ist kein Wettbewerb – alles darf kleinschrittig sein. Hauptsache, du tust irgendetwas Sanftes für dich. Auch eine halbe Übung ist besser als gar keine.
Erinnere dich an deine Motivation: In Zeiten von Rückschlag hilft es, dich daran zu erinnern, warum du Achtsamkeitsübungen machst. Vielleicht hast du ja schon einmal bemerkt, dass dir eine Atemübung wirklich gut getan hat oder dass du nach dem achtsamen Essen etwas ruhiger warst. Schreib dir solche positiven Erlebnisse auf und lies sie, wenn die Motivation sinkt. Mach dir bewusst: Du machst diese Übungen nicht, um irgendwem etwas zu beweisen, sondern weil du es wert bist, dir selbst zu helfen. Jeder Akt der Achtsamkeit ist ein Akt der Selbstliebe, und den hast du verdient – auch wenn die Depression dir manchmal sagt, es hätte alles keinen Sinn.
Such dir Unterstützung: Allein zu üben kann besonders schwer sein, wenn man depressiv ist. Überlege, ob du einen Achtsamkeitskurs (z.B. MBSR – Mindfulness-Based Stress Reduction) besuchen möchtest, vielleicht sogar speziell für Menschen mit Depression. In einer Gruppe fällt das Dranbleiben oft leichter und man fühlt sich verstanden. Wenn das zu viel ist, reicht vielleicht schon eine Freundin, mit dem/der du dich zusammentust – ihr könnt euch gegenseitig motivieren, über Erfahrungen sprechen oder ab und an gemeinsam eine Übung machen (wie zusammen meditatives Gehen oder einen Body-Scan per Audio hören). Und natürlich: sprich auch mit Therapeutinnen oder Ärztinnen über deine Achtsamkeitspraxis. Sie können dir Feedback geben und dich ermutigen.
Erinnere dich an die Natur der Depression: Diese Erkrankung verläuft oft wellenartig. Es gibt bessere Phasen und tiefere Täler. Ein Rückschlag – z.B. ein paar sehr schlechte Tage oder Wochen – bedeutet nicht, dass alles umsonst war oder dass es nie besser wird. Es ist ein Teil des Prozesses. Manchmal merkt man erst im Rückblick, dass die guten Phasen langsam länger und die Abstürze etwas weniger heftig wurden. Vertraue darauf, dass alles Üben und Bemühen in dir arbeitet, auch wenn es sich in der Krise nicht so anfühlt. Jede noch so kleine Achtsamkeit, die du praktiziert hast, hat Samen gesät, die vielleicht später keimen.
Das Wichtigste im Umgang mit Rückschlägen ist, dran zu bleiben, aber ohne sich zu verurteilen. Wenn du hinfällst, steh (so gut es geht) wieder auf – und mach in kleinsten Schritten weiter. Selbst wenn du eine längere Zeit gar nichts geübt hast, kannst du immer wieder neu anfangen. Die Achtsamkeit läuft nicht weg; sie wartet geduldig auf dich.
Schluss: Gib dir Zeit und sei dir selbst ein guter Freund
Du hast nun eine ganze Reihe an Achtsamkeitsübungen bei Depression kennengelernt – von Atemmeditation über Bodyscan und Gehmeditation bis hin zu achtsamem Essen, Gedankenbeobachtung, Dankbarkeit und Selbstmitgefühl. Das mag auf den ersten Blick viel erscheinen. Doch denke daran: Du musst nicht alles auf einmal umsetzen. Schon eine einzige dieser Übungen, regelmäßig praktiziert, kann wie ein kleiner Anker sein, der dich in schweren Zeiten stabilisiert.
Der Weg aus einer Depression ist selten geradlinig oder schnell. Achtsamkeit lehrt uns, dass es in Ordnung ist, Schritt für Schritt zu gehen, Pausen einzulegen und auch mal rückwärts zu stolpern. Wichtig ist, dass du immer wieder liebevoll die Hand nach dir selbst ausstreckst. Jede Minute, die du dir schenkst – sei es in Stille atmend, mit geschlossenen Augen eine Rosine schmeckend oder einfach mit der Hand auf dem Herzen – ist ein Akt der Selbstfürsorge. Und Selbstfürsorge ist kein Luxus, sondern essentiell, gerade für dich als Mensch, der mit depressiven Verstimmungen ringt.
Vielleicht spürst du beim Üben nicht sofort große Veränderungen. Doch sei gewiss: All diese kleinen Momente der Achtsamkeit summieren sich. Du trainierst deinen Geist darin, innezuhalten, statt sich im Schmerz zu verlieren. Du lernst, dass neben all dem Schweren auch noch anderes da ist – dein Atem, dein Herzschlag, ein Sonnenstrahl, der über dein Fensterbrett wandert. Das mögen kleine Dinge sein, aber in Summe können sie dir den Weg weisen zu mehr innerer Ruhe.
Gib dir die Erlaubnis, dir Zeit zu nehmen. Es ist nichts Egoistisches daran, dich um dich selbst zu kümmern. Im Gegenteil: Je mehr du lernst, mit dir sanft und achtsam umzugehen, desto eher wirst du auch wieder Kraft für dein Umfeld haben. Du bist es wert, geliebt zu werden – auch (und besonders) von dir selbst.
Zum Abschluss möchte ich dich ermutigen: Probier es aus. Suche dir gleich eine Übung, die dich neugierig macht, und setz dich vielleicht heute noch für ein paar Minuten hin, um sie zu testen. Ohne Erwartungsdruck, einfach als Experiment. Schau, wie du dich dabei fühlst. Jeder Anfang, so klein er auch ist, ist ein Schritt Richtung Besserung.
Und selbst wenn es auf Anhieb nicht „funktioniert“ oder du dich unruhig fühlst – das ist okay. Achtsamkeit ist eine Reise, keine schnelle Lösung. Vertraue darauf, dass dieser Weg dir langfristig helfen kann, dich selbst besser zu verstehen und anzunehmen. Hab Geduld und vertraue dir. So, wie nach der Nacht langsam die Morgendämmerung kommt, können auch dunkle Stimmungen mit der Zeit heller werden. Die Achtsamkeitsübungen bei Depression, die wir besprochen haben, wollen wie kleine Lichter auf diesem Weg sein.
Nimm diese Lichter mit, und geh in deinem eigenen Tempo voran. Sei freundlich zu dir, egal was kommt. Du bist nicht alleine, und es gibt immer Hoffnung. Jeder Atemzug ist ein neuer Anfang. Mögest du durch Achtsamkeit Schritt für Schritt zurückfinden zu mehr Lebensfreude, Gelassenheit und liebevollem Umgang mit dir selbst. Du hast es verdient. Alles Gute auf deinem Weg.
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